Die heftigen Auseinandersetzungen
um den politisch korrekten Ausdruck der "Revolutionären 1. Mai-Demonstration"
hatten auf manch eine/n eher ausladend gewirkt, sich an einer der diesmal
drei Demonstrationen zu beteiligen. Um 13 Uhr und um 16 Uhr versammelten
sich im Ganzen etwa 5000 Menschen am Oranienplatz und am Görlitzer
Bahnhof. Um 18 Uhr startete die dritte Demonstration mit etwa 10000 Teilnehmer/innen
am Rosa-Luxemburg Platz in Mitte. Die KPD/RZ beendete mit der "Mutter
aller Demonstrationen" ihre Kundgebung gegen 23.30 Uhr vor der Feuerwache
in Kreuzberg.
Der gemeinsame Rahmen waren die Blockadeversuche gegen den NPD-Aufmarsch
in Hohenschönhausen (Bilder), die bunten Feste auf dem Mariannenplatz
und Humannplatz sowie das gewohnte nächtliche Treiben nicht nur im
Kreuzberger Kiez. Wer's nicht mochte, war längst ins Grüne gefahren,
etwa 15000 andere Beteiligte aus dem linken, autonomen und touristischen
Spektrum gestalteten den 30. April und 1. Mai auf ihre Weise.
Auch wenn Politiker, Polizeistrategen, Medien und Soziologen sich die
Köpfe raufen, wie dieses (Kreuzberger) Ritual zu durchbrechen sei,
es wird ihnen nicht gelingen. Der 1. Mai widersetzt sich seit 15 Jahren
in Kreuzberg erfolgreich einer Befriedung und läßt sich in
keine Schablone pressen. Wer nur betrunkene Steinewerfer sehen möchte,
die die eigenen Leute verletzen, wird im einen oder anderen Fall schon
Recht haben - nur die Kritik an Alkohol während Strassenaktionen
ist so alt wie die Telefonnummer des Ermittlungsausschusses, die jedes
Jahr durchgegeben wird.
Wer so tut, als hätte der ganze Krawall nichts mit der neuen deutschen
Rolle im Krieg zu tun, dem bevorstehenden Bushbesuch, mit dem Ausverkauf
Berlins an die Bankgesellschaft und Wohnungsbaugesellschaften, mit sozialer
Armut und dem Brass auf die Polizei, die häufig als (prügelnde)
Beschützer der Nazis erlebt wird - mag dies gerne so darstellen und
liegt trotzdem daneben. Die Akteure/innen sind andere, sind jünger
geworden, die Mischung aus politischen Gruppen und Unorganisierten ist
geblieben. Auch wenn mensch im Alltag nichts miteinander zu tun hat, trifft
man sich am 1. Mai. Den Drang wenigstens mal einen Tag im Jahr dieses
starre Gefüge von Macht, Ohnmacht und Alltagsfrust durchbrechen zu
wollen (plus Abenteuer, Spaß, eigene Stärke zu erleben), empfanden
wir ähnlich wie in vergangenen Jahren; und für die meisten,
die nicht vorher das Weite gesucht hatten, war's auch in Ordnung. Trotz
angespannter Atmosphäre gab es viele lachende Gesichter bei den 7000
Menschen auf dem Mariannenplatzfest.
Gegen 19 Uhr wurden die ersten Anzeichen von Auseinandersetzungen sichtbar
- dann ging mensch eben, wenn er/sie nicht teilnehmen wollte. Wer den
1. Mai etwas greifbarer haben will, muß schon selber dran teilnehmen
- so oder so, der 1. Mai 2003 kommt bestimmt.
Klicke auf das untenstehende Bild und siehe ein Video über den 1.
Mai. (4'53 Min, mp4)
Fotos:
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