Interview mit
Güclü Yaman
Reise ohne Rückkehr Endstation Frankfurter Flughafen
Umbruch:
Güclü, in deinem neuem Film "Reise ohne Rückkehr
Endstation Frankfurter Flughafen" geht es um die "Abschiebung
von Flüchtlingen". Wie bist du auf das Thema gekommen? Hattest
du einen persönlichen Bezug dazu?
Güclü Yaman: Der Film erzählt eine Abschiebungsgeschichte.
Diese Geschichte enthält aber nach meiner Meinung viel mehr Aspekte
als eine Abschiebung. Ich sehe darin eine Globalisierungstragödie,
die stellvertretend für viele andere steht. In Wirklichkeit ist
Afrika nicht weit weg von Europa. Mit IWF, Weltbank, EPA ( Economic
Partnership Agreements) und großen Konzernen sind auch europäische
Mächte mitten in Afrika. Die Geschichte von Aamir Ageeb ist in
diesem Zusammenhang ein Beweis dafür, was man unter Globalisierung
verstehen soll. Nämlich, das wenn es um Profit geht, alle Grenzen
bis es nicht mehr geht geöffnet werden, das aber die Menschen
an den gleichen Grenzen wie Dreck behandelt werden.
Ein Mann, der aus einem der schlimmsten und am längsten andauernden
Bürgerkriege der Welt flüchtet, um in einem sicheren Land
zu leben, verliert sein Leben durch die Hände von Sicherheitskräften
dieses Landes. Dieser Mann, der aus den ärmsten der armen Regionen
der Welt stammt, hat sich vielleicht ein besseres Leben in einem wohlhabenden
Land erhofft. Aber, weder das arme noch das reiche Land kann ihm ein
sicheres Leben gewähren. Natürlich werden nicht alle Flüchtlinge
bei ihrer Abschiebung getötet. Das ist die Spitze der Gewalt,
die aber viele Flüchtlinge in verschiedenen Phasen ihrer Flucht
in verschiedenen Intensitäten betreffen. Es spielt dann keine
Rolle mehr, ob sie sich inmitten einer Zivilisation oder
in unbekannten Ecken der Welt befinden.
Wenn man den Film anschaut wird man sehen, wie Aamir Ageeb bei seiner
Abschiebung behandelt wird. Das sagt viel aus über das Verständnis
der europäischen Machthaber in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte,
die angeblich dafür in anderen Ländern Kriege führen.
Und das schlimmste ist, dass jemand in einem Flugzeug unter 200 Menschen
getötet wird und dass keiner von ihnen etwas dagegen getan hat.
Das ist grauenhaft. Allein das ist ein großes Phänomen,
dass man stundenlang diskutieren könnte. Es ist schlimmer als
eine Steinigung, weil das Opfer diesmal mit nicht geworfenen
Steinen getötet wird. Von allen Leuten, die damals ausgesagt
haben, gibt es fast niemand, der Aamir's Schreie nicht gehört
hat. Es ist ein erschreckendes Armutszeugnis der Gesellschaft.
Umbruch: Der gewaltsame Tod von Aamir Ageeb während seiner
Abschiebung von Frankfurt in den Sudan hat damals viele Menschen empört.
Das war vor mehr als 10 Jahren. Wieso greifst du sein Schicksal in
deinem Film wieder auf?
Güclü Yaman: Die Geschichte von Aamir Ageeb steht stellvertretend
für viele andere. Das habe ich von Anfang an immer so wahrgenommen,
sowohl beim Drehbuch schreiben als auch beim Dreh. In diesem Sinne
spielt es für mich keine Rolle, dass die Geschichte zehn Jahre
her ist. Solange die Bedingungen existieren, die ich vorhin erwähnt
habe, werden wir immer wieder von ähnlichen Schicksalen hören.
Umbruch: Der Tod von Aamir wurde seinerseit von den Behörden
als bedauerlicher Einzelfall heruntergespielt. Gibt es heute einen
anderen Umgang bei Abschiebungen?
Güclü Yaman: In Deutschland haben wir seitdem keine
Abschiebetote mehr. Das verdanken wir hauptsächlich den Protesten
nach dem Tod von Aamir Ageeb. Viele Menschen werden aber auch in Deutschland
weiterhin abgeschoben, teilweise auch gewaltsam.
Es gab sogar wieder zwei Abschiebetote in diesem Jahr in Europa. Im
April in der Schweiz in einem Abschiebe-Charterflug und vor kurzem
in England, genauso wie Aamir Ageeb, erneut in einem Passagierflugzeug.
Umbruch: Die Vorbereitungen für deinen Film waren sehr aufwendig.
Du mußtest, um den Fall nachstellen zu können, z.B. eine
Polizeizelle und ein Flugzeug mieten. War das einfach so möglich?
Wie waren die Reaktionen dabei?
Güclü Yaman: Das war gar nicht so einfach möglich.
Es war ein sehr mühsamer Weg und eine der Gründe, warum
die Produktion dieses Films so lange gedauert hat. Bei den Anträgen
auf Drehgenehmigungen gab es manchmal pauschale Absagen und manchmal
auch Absagen, nachdem man erfahren hat, worum es in dem Film geht.
Man findet aber immer einen Weg.
Umbruch: Hast du dich strikt an das Drehbuch gehalten oder hat
sich während der Dreharbeiten der Film entwickelt. Hatten die
Schauspieler Einfluß auf die Gestaltung des Films?
Güclü Yaman: Ich bin grundsätzlich dafür,
dass die Schauspieler Möglichkeit haben den Film mitzugestalten.
Bei diesem Film war die Möglichkeit dafür leider nicht so
groß, weil der Film eine wahre Geschichte erzählt. Deswegen
habe ich mich meistens streng an das Drehbuch gehalten. Knapp 30 Rollen
des Films konnten wir mit professionellen Schauspielern besetzen.
Sie haben für den Film unentgeltlich gearbeitet, weil sie an
dem Inhalt des Films Interesse hatten, genauso wie das Drehteam und
die Komparsen. So ist ein Film entstanden, der auf ausschließlich
ehrenamtlicher Beteiligung von etwa 120 Menschen basiert.
Umbruch: Wo wird der Film zu sehen sein?
Güclü Yaman: Der Film hat bald in Berlin Premiere im
Rahmen der Veranstaltung der langen Nacht des Menschenrechts-Films.
Ich weiß, dass einige den Film in Schulen und in Gewerkschaften
zeigen wollen. Wann genau, weiß ich aber nicht. Ansonsten gibt
es momentan noch keine weitere Termine.
Umbruch: Was wäre dein Wunsch, was der Film bewirken bzw. auslösen
könnte?
Güclü Yaman: Es wäre zum Beispiel nicht schlecht,
wenn alle Zuschauer mit den Filmemacher zusammen nach der Berliner
Premiere des Films gleich das Innenministerium besetzen würden
und das solange weitermachen würden, bis alle Abschiebungen und
Abschiebehaft abgeschafft werden. Das Innenministerium steht ja um
die Ecke. :-)
Umbruch: Güclü,
vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit deinem Film!
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