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THEMA: Polizeikontrollen von Flüchtlingen
ORT: Jena
ZEIT: 26. Januar 2003
 

Gewalttätige Polizeikontrolle von Cornelius Yufanyi in Jena

In der Nacht zu Sonntag, den 26. Januar 2003, wurde Cornelius Yufanyi, Aktivist von "The Voice Africa Forum" nach einem Treffen in Jena von PolizistInnen angegriffen, verletzt und verhaftet. Ausgangspunkt war eine Personalienkontrolle, bei der sich die PolizistInnen in Zivil weigerten, ihre Dienstausweise deutlich erkennbar vorzuzeigen. Nach Augenzeugenberichten ließen sie "ungefähr eine Viertelstunde lang ihren rassistischen Ressentiments auf offener Straße freien Lauf."
Im folgenden Telefoninterview berichtet Cornelius Yufanyi, wie er die nächtliche Kontrolle und Verhaftung erlebt hat. Siehe auch den schriftlichen Bericht weiter unten.

Die willkürliche Personalienkontrolle von Cornelius Yufanyi ist kein Einzelfall. Während des letzten "Antirassistischen Grenzcamps" im Juli 2002 in Jena wurden zahlreiche Flüchtlinge von der Polizei wegen vermuteter Verletzung der Residenzpflicht kontrolliert und zum Teil stundenlang im Polizeipräsidium Jena festgehalten.

Veranstaltungshinweis:
25./26. April 2003, Berlin, Im Mehringhof, Versammlungsraum, Gneisenaustraße 2, U-Bhf Mehringdamm
Flüchtlingstreffen für ein "Netzwerk gegen rassistische Kontrollen, Polizeimissbrauch und -brutalität". Austausch und Information über Polizeikontrollen und Polizeimissbrauch an verschiedenen Plätzen, die Opfer, Proteste sowie die Gerichtsverhandlungen. Zusammentragen von Informationen: Statistiken über Polizeibrutaliät und Tötungen von Flüchtlingen und MigrantInnen in Deutschland. Vorbereitung eines bundesweiten Treffens. Programm und Aufruf für das Wochenendtreffen.Mehr Information bei: The VOICE Refugee Forum, Jena; Tel. 03641 665214

 

Cornelius Yufanyi, Redner der Karawane auf der 1. Mai Kundgebung 2000 des DGB in Jena Realaudiointerview: Umbruch-Bildarchiv

Klicke auf das obenstehende Bild und höre ein Realaudiointerview. (9'43 Min.)
Den dafür benötigten Real One Player gibt es hier frei zum downloaden.
Alternativ hier die Fassung für den Windows Media Player

Bericht von Cornelius Yufanyi über die nächtliche Polizeikontrolle am 26.01. in Jena:

"Heute Morgen gegen 0.30 bin ich mit einer Freundin, P., von der Bar Grünowski nach dem Treffen von The VOICE in Richtung Afro Center gegangen, um dort andere Freunde zu treffen. Ungefähr 250 m vor dem Afro Center kam uns ein schwarzer Wagen entgegen und parkte bei der Straßenbahnhaltestelle "Phyletisches Museum" (Richtung Jena Nord) auf einem Parkplatz. Es sind drei Leute ausgestiegen, zwei Männer und eine Frau (Namen und PKW-Kennzeichen sind bekannt). Sie fragten uns nach unserem Personalausweis. Aufgrund meiner Erfahrung, dass ich in Jena mehrmals von Nazis angegriffen worden war und da sie in Zivil waren, also nicht als Polizisten zu erkennen waren, fragte ich sie nach ihren Dienstausweisen. Zwei von ihnen, ein Mann und eine Frau haben daraufhin Ausweise, vermutlich ihre Dienstausweise herausgeholt und mir aus etwa einem Meter Entfernung gezeigt. Weil ich es nicht lesen konnte, bat ich sie, die Ausweise näher zu bringen. Sie verweigerten das. Ich holte mein Handy heraus, um mir von der Polizei bestätigen zu lassen, dass sie tatsächlich Polizisten sind. Sie sagten mir, ich dürfe niemanden anrufen. Ich antwortete, wenn ich niemanden anrufen dürfe, müssten sie mir ihre Ausweise zeigen. Doch bevor ich mich erklären konnte, haben sie angefangen, mich anzugreifen. Die Freundin, die bei mir war, sagte ihnen, dass ich nicht gefährlich sei und dass sie mir nicht zugehört hätten. Daraufhin hat sie einer der Männer weggeschubst.

Weil ich verzweifelt war und mich angegriffen fühlte, fand ich mich in einem Notstand.

Sie waren nicht bereit mir weiter zuzuhören und sagten, wir sollten auf das Polizeipräsidium gehen. Dies habe ich akzeptiert. Dann begannen sie richtig brutal mich zu schieben und mich zu schlagen. Sie schlugen mich ins Gesicht. Dadurch bekam ich einen Lippenriss. Sie drückten mich auf den Boden, so dass ich flach auf dem Boden lag. Sie pressten mit ihren Füßen meine Hände und Füße und meinen Rücken nieder. Sie sagten, sie würden mich mit Pfefferspray besprühen, wenn ich Widerstand leistete. Ich habe keinen Widerstand geleistet und habe einfach geschrien: "Das ist Gewalt und Brutalität." Ein Passant kam her und fragte, was los sei. Er wurde ebenfalls weggeschubst. Er sagte, wenn sie von mir einen Ausweis wollten, müssten sie mich nicht schlagen. Ich sagte meiner Begleiterin gesagt, sie solle die anderen Freunde im Afro Center informieren, was mit mir los sei.

Die beiden Männer und die Frau haben mich weiter geschlagen. Sie haben mich mit Handschellen am Rücken gefesselt, mich hochgezogen und brutal an ihr Auto geschoben, so dass ich mit meiner Vorderseite auf der Seite des Autos lag. Sie pressten meinen Hals, so dass ich keine Luft mehr bekam. Dann haben sie versucht mich zu durchsuchen. Danach schoben sie mich wieder auf den Boden.

Während dieser Zeit beschimpften sie mich mit rassistischen Sprüchen. Sie wüssten nicht, was ich hier in Deutschland mache und wenn es mir nicht gefällt, solle ich zurückgehen, wo ich herkomme. Ob ich eine Erlaubnis hätte, nach Jena zu kommen. Dass ich ein "Assi", also ein asozialer Mensch, sei und sie haben mich ohne Respekt misshandelt. Sie redeten mich mit "du" an, obwohl ich sie mit "Sie" angesprochen hatte.

Sie versuchten mich schnell und mit Gewalt in das Auto hineinzuschieben. Ich habe keine Luft mehr bekommen. Dann habe ich versucht mit meinem Kopf draußen Luft zu bekommen. Sie haben mich im Auto weiterhin nach unten gedrückt und einer kniete sich auf mich und drückte dabei seine beiden Knie auf meinen Rücken in der Höhe des Brustbereichs. Ich konnte keine Luft mehr bekommen und schrie immer wieder, dass ich ersticke. Sie sagten, wenn ich schreien könnte, könnte ich auch Luft bekommen. Sie haben weitere rassistische Sprüche losgelassen, zum Beispiel: "Wir sind hier nicht im Wald." Ich blutete in ihr Auto wegen der Lippenverletzung, bis wir am Polizeipräsidium ankamen. Wieder haben sie rassistische Sprüche losgelassen, zum Beispiel, dass ich "Schwarzendeutsch" spreche. Sie meinten, ich sei in Deutschland nicht gewollt. Sie haben mich wieder auf den Boden gedrückt, ihre Füße auf meine beiden Hände und Füße gepresst und mich mit Fußschellen gefesselt. Sie sagten mir, dass ich aufstehen sollte. Das konnte ich nicht machen, weil ich mich total gefoltert und erschöpft fühlte. Dann habe ich einfach zu ihnen gesagt, sie sollen weiter machen, was sie schon angefangen haben: Gewalt anzuwenden. Da haben sie mich durchsucht und mich hochgezogen und mich in Fußschellen zur Zelle geschleppt. Ich wollte nicht auf mein Recht verzichten und habe von der Zelle aus gefragt, ob ich sofort meinen Rechtsanwalt anrufen und meine Frau informieren könnte. Ich habe mehr als zweimal gefragt. Von außen haben sie hereingerufen, ich könnte das mit meinen Händen oder Füßen machen.

Nach ungefähr zehn Minuten kam der Sachbearbeiter H. und sagte zu mir, dass sie gegen mich Anzeige erstatten würden wegen Körperverletzung und Widerstand gegen eine polizeiliche Maßnahme. Er wollte einen Alkoholtest mit mir machen und eine Blutprobe nehmen. Dann sagte ich, wenn sie mich nicht anrufen ließen dürften sie auch nichts mit mir machen. Ich würde nicht auf mein Recht verzichten. Dann sagten sie, dass ich hinter Gitter keine Rechte hätte. Dass ich allem folgen müsste, was sie sagten. Ich fragte ihm, ob er diese Aussage auch vor dem Gericht wiederholen könnte. Dann meinte er, das würde er sich noch überlegen. Dann habe ich ihm gesagt, wenn das so sei, dann sollten sie alles vergessen. Er sagte mir auch, dass sein Chef ihm gesagt habe, dass ich kein Recht zum Telefonieren hätte.

Nach Rücksprache mit einem anderen Polizisten, vermutlich seinem Chef, hat er mir das Telefon gebracht. Dann habe ich meine Ärztin und meine Frau angerufen, weil ich meinen Rechtsanwalt nicht erreichen konnte. Ungefähr zehn bis 15 Minuten danach holten sie mich aus der Zelle und eine andere Ärztin hat eine Blutprobe genommen und mir einige Fragen gestellt um festzustellen, ob ich Alkohol getrunken hätte. Ich habe mich physisch gefoltert gefühlt, hatte Schmerzen am ganzen Körper und weiter geblutet, aber die Ärztin wollte mich nicht weiter untersuchen. Auf meine Frage, ob ich die Blutprobe verweigern könnte, antwortete sie mir, dass es gesetzlich festgelegt sei, dass ich sie nicht verweigern könne.

Nach der Blutprobe und der Befragung durch die Ärztin haben sie mich aus dem Gefängniskomplex entlassen und sind mit mir in den Empfangsbereich gegangen, wo sie mir meinen Führerschein zurückgegeben haben und mich dann entlassen haben. Draußen wartete meine Ärztin und fünf andere Mitglieder von The VOICE auf mich. Meine Begleiterin wollte auch Anzeige gegen die Polizei erstatten. Sie konnte das aber nicht, weil sie auch so erschöpft war und sich deshalb nicht dazu in der Lage fühlte. Aber sie meinte, sie würde dies machen, wenn sie wieder dazu in der Lage wäre.

Wir haben noch einen Zeugen, der alles gesehen hat. Es handelt sich dabei um den Passanten, der den Vorfall beobachtet hatte.

Nach meiner Entlassung hat mich meine Ärztin kurz untersucht. Anschließend bin ich ins Krankenhaus zu einer Untersuchung gegangen. Ich wurde im Brustbereich geröntgt. Ich habe jetzt immer noch Schmerzen und Verletzungen."

Kontakt: The VOICE e.V. Africa Forum, Human Rights Group, Lange Geismar Str. 73, 37073 Göttingen, Tel.: 0551-58892 /0551-58894 , Fax: 0551-58898, E-mail:THE_VOICE_Goettingen@gmx.de


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