Farbimpressionen aus Indien, 1991 / 1193l
Fotos und Texte von Otto Göpfert

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Sprachlos

 

Manches Geschehen in Rajasthan kann ich nicht in Worte fassen. Wie soll ich zum Beispiel "Holi" beschreiben, das Frühlingsfest der Tag- und Nachtgleiche, das des ersten Frühling-Vollmonds? Ein Fest, das nicht nur die Rajasthanis, sondern viele Inder feiern.
...Wo die Kinder in Scharen brüllend und lärmend und aufgeregt sich raufend durch die engen Gassen von Jaisalmer ziehen, das Gesicht und die Hände rot beschmiert, den nackten Ober-körper bunt bemalt, die Kleidung über und über mit Farbe besprüht. Die ein Triumphgeheul anstimmen, wenn sie einen Passanten mit ihrem Farbbeutel getroffen, ihn mit der Farbpistole besprüht haben.
...Wo der Kameltreiber und Hotelbesitzer, selbst mit roter Farbe besprüht, mich lachend warnt: "Verlaß' heut dein Zimmer nicht!"
...Wo am späten Nachmittag eine Gruppe lärmender Balgen meine Fahrt stoppt und mich rot besprüht, so daß ich wütend vom Rad springe und sie fluchend verfolge, bis der Hauptübeltä-ter zitternd vor Angst bittet: "Ich wollte das nicht tun, Sir!"

...Wo die Händler in Tüten aus Zeitungspapier pfundweise gelbe, rote und blaue Kreide für die Spritzflasche verkaufen, für die einfache Sprühdose und den Plastikbeutel als Wurfgeschoß.
...Wo die Rucksack-Touristen bunt besprüht durch die Straßen schlendern, so ihre Verbundenheit mit dem Leben der Rajasthanis bekunden oder im farbigen Aufzug auf den Kamelen von der Safari zurück in die Stadt traben; die von der Sonne geröteten Köpfe mit noch tieferem Rot bemalt - und das macht sich nicht einmal schlecht.
...Wo nach Einbruch der Dunkelheit die Frauen ihre Schleier öffnen, in Gruppen vor den Häusern sitzen, angesichts des vollen Mondes ihren monotonen Gesang anstimmen, im gemeinsamen Singsang harmonisch verbunden.
...Wo die Böller knallen, die Knallkörper krachen, das alte Straßenpflaster aufgerissen wird und in den Löchern Holzfeuer entzündet werden und die Hexe Holi in Gestalt einer Puppe oder in Form eines hölzernen Balkens als Symbol des vergangenen Winters unter dem Triumpfgeheul der Jugendlichen in Flammen aufgeht.
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