Farbimpressionen aus Indien, 1991 / 1193c
Fotos und Texte von Otto Göpfert

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Ein vielfältiges Leben wälzte sich von frühmorgens bis abends gegen zweiundzwanzig Uhr durch die Straßen der Stadt - in allen Schattierungen, Schichten und Tönungen, in allen nur möglichen Lärmvariationen: hupend, tutend, klingelnd, schreiend -, eine "Symphonie des Lebens" mit dramatischen Paukenschlägen. Sie mögen mein Unbehagen nicht verstehen, votiere ich im Zweifelsfall doch immer für "das einfache Leben". Aber ich vergaß die nie aufhörende Flut von kreischenden, tutenden und heulenden Motorrädern zu erwähnen, die aus allen Richtungen kamen, jede Vorfahrt mißachteten, sich an keine Verkehrsregel hielten - und die alten Lastwagen, die qualmenden Kleinbusse, die die Vorfahrt rücksichtslos erzwangen -, diese Blechlawine von dreirädrigen Tempo-Minibussen und die unzähligen Motorrikschas, die tief-schwarze Rauchwolken ausstießen und jede kleine Lücke nutzten auf ihrem eiligen Weg durch den mächtigen Verkehr.
Ganz Indien schien motorisiert; ein grauer Nebel von Dunst, Staub und Benzinabgasen hing ständig in den Straßen, und der Wüstenwind wirbelte Wolken von Staub und Schmutz über die Wege, trieb den


feinen Sand aus der Wüste Thar in die Stadt. Er drang in Augen und Ohren, knirschte zwischen den Zähnen, legte sich wie ein fahles Leichentuch über alles Leben, auf die Häuser, über die ganze Stadt. Mit dem Staub der Straßen schluckte ich die Mikroben und Bazillen, die Bakterien und die Gonokokken der heiligen Kühe auf den Wegen, des Unrats, des Menschen- und Tierkots und Urins. Am Ende fragte ich mich erstaunt: Wie viele Krankheitserreger kann der menschliche Körper verkraften?
Ich beschloß nicht mehr zu reisen. Ich schwor, nie wieder nach Jodhpur zurückzukehren, was für Konsequenzen diese Entscheidung auch immer mit sich bringen mochte. Darauf hätte ich jeden Einsatz gewettet.
Aber ich kehrte nach Jodhpur zurück!
Ich lache - haha! - über mich selbst. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert - das ist eine Volksweisheit, die man sich merken sollte.
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