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THEMA: Globale Landwirtschaft
ORT: Alt-Tellin - Mecklenburg-Vorpommern
ZEIT: 30. Junil 2011
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv/ 671 \

Widerstand gegen das Schweinesystem

„Agrarindustrie abrüsten“ und „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“. Mit diesen Forderungen demonstrierten am 30. Juni 2011 etwa 60 Menschen in Alt-Tellin gegen eine geplante Schweinezuchtanlage und sehen erste Erfolge des öffentlichen Drucks. Laut Baugenehmigung hätte der niederländische Investor Adriaan Straathof offiziell den Startschuss für die Großanlage im Landkreis Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) geben können. Doch anstatt die Aushubarbeiten fortzusetzen, verließen die beiden verbliebenen Bagger das Gelände, da einige Auflagen noch nicht erfüllt sind.
Eine enorme Schweinezuchtanlage mit sechs Hektar überdachter Fläche soll in Alt-Tellin entstehen, in der jedes Jahr 250 000 Ferkel von 10 000 Muttersäuen "produziert" werden. Das bedeutet 700 Geburten pro Tag und genauso viel Tiere, die täglich zum Schlachthof gefahren werden. Pro Jahr sollen 60 000 m3 Gülle auf Feldern in den umliegenden Gemeinden ausgebracht und durch riesige Pipelines abtransportiert werden. Ausserdem sind vier Biogasanlagen in der nahen Umgebung geplant.

Am 29.6.2011 sollte offizieller Baubeginn sein für die größte Ferkelfabrik Europas am Tollensetal in MV. Mit dem Slogan "MV tut gut" wurde dem niederländischen Schweineproduzenten Adrianus Straathof der Weg zu einem vorzeitigen Baubeginn geebnet. Das Ziel der amtierenden großen Koalition in Schwerin, die Stärkung der so genannten Veredlungsindustrie, wurde mit einer verstärkten Öffentlichlichkeitsarbeit gegen den Willen der ansässigen Bevölkerung durchgezogen. Am 8. Mai 2006 stimmte die Gemeindevertretung Alt Tellins für eine Ansiedlung von 10.000 Sauen im letzten Zipfel ihres Gemeindegebiets. Da ein beteiligter Gemeindevertreter vom geplanten Verkauf des erforderlichen Grundstücks profitiert hätte, musste die zuständige Rechtsaufsicht diesen Beschluss kassieren. In der Folge formierte sich die Bürgerinitiative "Leben am Tollensetal" u. mobilisierte die Einwohner zu einem mehrheitlichen Protest gegen den Bauplan u. den Investor. "Wir werden alles tun, damit die Anlage nicht kommt" versprach darauf der Bürgermeister. Unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung reiste jedoch die ararpolitische Sprecherin u. Vizelandtagspräsidentin Holznagel in ihren Wahlkreis zur Versammlung der CDU-Gemeindevertreter und klärte darüber auf, dass wenn ein Investor so einen Antrag stelle, müsse die Gemeindevertretung diesem zustimmen. Was dann sogar mit der notwendigen Stimme des inzwischen schon vom Verkauf des Grundstücks beglückten Gemeindevertreters vonstatten ging. Im Genehmigungsverfahren wurden 700 Einwände gegen die Anlage gewürdigt u. deren Bearbeitung dem Investor in Rechnung gestellt. Auch die LMS Landwirtschaftsberatung Mecklenburg-Vorpommern / Schleswig-Holstein GmbH bekam ihr Geld von Herrn Straathof. Sie reichte den Antrag bei der staatlichen Genehmigungsbehörde ein u. beförderte so seine Genehmigung. Die Alt Telliner Vizebürgermeisterin Frau Ey, Geschäftsführerin des Geflügelzüchterverbandes u. Referentin für Tierproduktion beim Bauernverband knüpfte die Verbindung zwischen Gemeindevertretung, Straathof u. LMS.
Mit diesem Rückenwind startete Straathof nach fünfjähriger Wartezeit in diesem Frühjahr kräftig durch. Zuerst ließ er geschützte Fledermausquartiere auf seinem Baugelände abreißen, dann expandierte seine Baufeldfreimachung (Video) vor offiziellem Baubeginn zur Großbaustelle. Im Vorfeld dazu hatte er Widerspruch gegen die Einhaltung der mit dem vorfristigen Baubeginn verbundenen Nebenbestimmungen eingelegt. Das zuständige Amt hatte daraufhin die Genehmigung erteilt und alle umstrittenen Auflagen auf unaufsehbare Zeit verschoben - grünes Licht für den Investor. Die Empörung dagegen schlug große Wellen. Deshalb mußte das Amt die Auflagen wieder in Kraft setzen.

Statt des geplanten Baubeginns wurden die Bagger abgezogen und ca. 60 Demonstranten spazierten vom geplanten Anlagenstandort in das ruinöse Nachbardorf Neu Plötz u. zurück, begleitet von einem großen Aufgebot der Landespolizei. In MV hat der Wahlkampf begonnen. Die amtierende Regierung versprach penibel auf die Einhaltung der Nebenbestimmung zu achten. Die momentane Hürde für Straathof ist die Hinterlegung einer Bankbürgschaft von ca. 700.000 € für einen Rückbau der Anlage. Die Schweinepreise sind z.Z. am Boden. Welche Bank will, nach der Erfahrung des plötzlichen deutschen Atomausstiegs, ihr Kapital für die mehr u. mehr in Verruf gekommene Massentierhaltung stecken, wenn sie mit Bodenspekulation sattere Gewinne machen kann?
Der vorhandene Widerstand gegen das Schweinesystem wird in jedem Fall weiter wachsen.

 


Fotos: os/Bürgerinitiative Leben am Tollensetal

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