Noch bevor sich
über 1000 Leute an der S-Bahnstation Ohlsdorf zur Kundgebung und
anschließenden Demonstration in Richtung Hamburger Flughafen versammelten,
begannen in den Terminals bereits die ersten Aktivitäten. Verteilung
von global passports, eine Massenhochzeit, Transparentaktionen
und Pauschaltouristen gegen Abschiebungen ... - eine ganze Reihe von
Gruppen hatten sich vorbereitet und waren nicht selten als perfekte
Rollkoffertouristen verkleidet auch problemlos ins Flughafeninnere
gelangt. Über mehrere Stunden bis zum späten Nachmittag, als
nochmals zweihundert DemonstrantInnen in Form einer Polonaise lautstark
durch das Gebäude fluteten, wurde das Terminal 1 in eine öffentlichkeitswirksame
Protestzone gegen Abschiebungen verwandelt. Bildgalerie
Der Hamburger Flughafen ist ein Tatort permanenter Menschenrechtsverletzungen.
Er fungiert als europaweiter Startpunkt für die Charter der
Schande, für die brutalen Sammelabschiebungen von Flüchtlingen
und MigrantInnen in eigens dafür angemieteten Flugzeugen. Diese
Flüge gehen bei Nacht und Nebel, unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit.
Die "Schüblinge" werden von Bundespolizisten in die Flugzeuge
gezwungen, notfalls gefesselt und geknebelt oder von angeheuerten Abschiebeärzten
ruhiggestellt. Und es sind insbesondere Hamburg International und einige
andere Airlines, die ihre Maschinen bereitstellen und vom schmutzigen
Geschäft mit den Abschiebungen profitieren. Mindestens acht europäische
Abschiebecharter sind seit Mai 2004 von Hamburg gestartet, alle in afrikanische
Staaten. Kosten scheinen keine Rolle zu spielen. Die EU fördert
diese Flüge finanziell und will sie bald von FRONTEX koordinieren
lassen. FRONTEX will sogar ein eigenes Flugzeug anschaffen, insbesondere
für jene, die sich bereits zuvor erfolgreich gegen ihre Abschiebung
gewehrt haben.
Gegen 13 Uhr war, ebenfalls parallel zur Demo, eine der zentralen Zufahrtstraßen
zum Airport (Sengelmannstr.) durch eine Reclaim the Street-Parade
von etwa 150 Personen verstellt worden. Transparente und Sprechblasen
für globale Bewegungsfreiheit wurden mitgeführt wie auch ein
Verkehrsschild gegen Abschiebungen oder Schlauchboote als Symbol für
die Solidarität mit den Boatpeople. Die Straße war für
eine gute Stunde gestaut, allerdings wurden hier später auch über
50 Beteiligte in Gewahrsam genommen.
Um die gleiche Zeit kam es zu Verkehrsstaus durch Transparentaktionen
und Materialblockaden mittels Papiercontainern und Baumstämmen
auf einer weiteren Zufahrtsstraße (Alsterkrugchaussee), und im
nördlichen Anfahrtsbereich des Flughafens zwangen Fahrradcorsos
den Autoverkehr zur Verlangsamung.
Informative Behinderungen waren im Vorfeld des Aktionstages
u.a. den Reisebüros und Fluggesellschaften angekündigt worden,
und der Polizeiaufmarsch sowie deren Straßen- und Eingangskontrollen
taten ein Übriges, dass sich der Verkehr rund um den Flughafen
immer wieder staute. Dort wie auch vor und in den Terminals haben jedenfalls
alle Fluggästen, BesucherInnen und Beschäftigten mitbekommen,
um was es mit diesem Protesttag ging: Um das Unrecht der Abschiebungen
und für die Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit.
Verschiedene Aktionsformen haben am 22.8. bestens zusammengewirkt, die
Polizei war bisweilen völlig überfordert, und die dann vorzeitige
und völlig widerrechtliche Auflösung der angemeldeten Abschlusskundgebung
erscheint als entsprechende Verzweifelungsreaktion auf einen insgesamt
ziemlich gelungenen Warnstreik von außen.
Doch bei aller Zufriedenheit über den Ablauf sollte nicht unterschlagen
werden, dass letztlich kaum mehr als 1500 Menschen am 22.8. bei den
verschiedenen Aktionen dieser zentralen Mobilisierung des AntiRa-Camps
mitgemacht haben. In den Wochen zuvor und erst recht nach der Auftaktdemo
des Doppelcamps am 16.8 mit schon bis zu 1200 Leuten war eine deutlich
höhere Beteiligung erhofft worden. Und mit zwei oder gar dreitausend
Menschen wäre der Flughafen an diesem Tag nochmal ganz anders gerockt
worden. Dass diese größere Mobilisierung nicht gelungen ist,
bleibt jedenfalls die zentrale kritische Frage in der Bilanz einer Campwoche,
die sich ansonsten durchaus sehen lassen kann. - ein Aktivist von
"Kein Mensch ist illegal" - zur
Bildgalerie
Weitere Informationen zu den Abschiebeflügen aus Hamburg:
http://www.fluechtlingsrat-hamburg.de/
Und im Zeit-Magazin
vom 10.01.08 findet sich eine eindrucksvolle Beschreibung der strukturellen
Gewalt von Charterabschiebungen: eine fakten- und bilderreiche Reportage
über den ersten deutschen Flug, der mit EU-Mitteln finanziert wurde,
und am 18.9.06 von Hamburg nach Guinea, Togo und Benin ging. An Bord
war nicht zufällig auch ein Frontex-Vertreter.
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