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THEMA: Hungerstreik in der Türkei
ORT: Berlin
ZEIT: 11. November 2012
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv / 8492 \

Über 60 Tage im Hungerstreik

Am 11.11. 2012 fand in Berlin eine große Solidaritäts-Demo zum Hungerstreik kurdischer Gefangener in der Türkei statt. Die Demonstration startete am Hermannplatz in Neukölln und zog über den Kottbusser Damm, die Skalitzer Straße und die Oranienstraße bis zum Oranienplatz, wo sie von AktivistInnen des Flüchtlingscamps begrüßt wurde.
Hunderte kurdische Gefangene in türkischen Gefängnissen hatten den Hungerstreik begonnen, um eine Beendigung der 13-jährigen Einzelhaft von Öcalan, das Recht auf Verteidigung in ihrer Muttersprache sowie die Beseitigung der bestehenden Hindernisse gegen Zulassung der kurdischen Sprache als Amts- und Unterrichssprache zu erreichen.


Nach 68 Tagen, am 18. November 2012 beendeten die kurdischen Häftlinge ihren Hungerstreik nach einem Aufruf des Kurdenführers Abdullah Öcalan. Die Zahl der Streikenden war mittlerweile gewaltig. Nach Angaben des türkischen Justizministeriums waren ca. 700 Menschen in Gefängnissen im Hungerstreik. Nach Informationen aus den Gefängnissen hatten sich in der letzten Woche des Hungerstreiks sämtliche politische kurdische Häftlinge dem Hungerstreik angeschlossen. Kurdische Medien schätzten ihre Zahl auf bis zu 10.000 Häftlinge. Darunter auch inhaftierte Journalisten und Abgeordneten der pro-kurdischen Partei BDP. Zudem hatten sich "draußen" nach dem 60.Tag sieben Parlamentsabgeordnete der BDP und der Bürgermeister der Millionenstadt Diyarbakir sowie Sacharow Preisträgerin Leyla Zana dem Hungerstreik angeschlossen.

Besonders in den letzten zwei Wochen fanden landesweit große Demonstrationen statt, auch im Westen der Türkei. Diese wurden fast ausnahmslos von der türkischen Polizei brutal angegriffen. Teilweise war auch Militär im Einsatz. Im Westen des Landes wurden einige Demos und Büros der BDP von türkischen Nationalisten angegriffen. In manchen Städten wurden Demonstrationsverbote verhängt. Mit einem Erlass des Innenministeriums wurde das Demonstrationsrecht landesweit stark eingeschränkt. Die Türkische Mainstreampresse ignorierte die Nachrichten über Hungerstreiks und Proteste. Im Gegenteil wurden Nachrichten veröffentlicht, dass Hungerstreikende "essen" würden. Auch der türkische Regierungschef Erdogan leugnete die Existenz der Hungerstreiks, bezeichnete sie als "Show", "Drohung", "Bluff" und drohte Häftlingen mit der Wiedereinführung der 2004 wegen internationalen Drucks abgeschafften Todesstrafe.

Forderungen

Nach einer Presseerklärung der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM e.V.) vom 18. Oktober 2012 wurden die Forderungen der Gefangenen wie folgt bekanntgegeben.
· Aufhebung der Isolationsbedingungen für Abdullah Öcalan
· Gewährleistung der Gesundheit, Sicherheit und Freiheit Abdullah Öcalan´s
· Aufhebung aller Verbote gegen die kurdische Sprache
· Beendung der nationalistischen, verleumdenden und assimilierenden Politik gegenüber der kurdischen Muttersprache
· Aufhebung der Hindernisse hinsichtlich des Verteidigungsrechts bei Gerichtsverhandlungen in der kurdischen Muttersprache
· Aufhebung der Hindernisse bezogen auf die Bildung in der kurdischen Muttersprache
Im Laufe des Hungerstreiks kristallisierten sich drei Forderungen in der Öffentlichkeit heraus: Das Recht, sich vor Gericht in der Muttersprache verteidigen zu können, die Ermöglichung von Anwaltsbesuchen für Öcalan und das Recht auf kurdischsprachige Bildung in der Türkei.

Das Ende des Hungerstreiks

Am 17.November abends meldeten die Nachrichtenagenturen den Aufruf von Öcalan für die Beendung der Hungerstreiks als Eilmeldung. Mehmet Öcalan, der Bruder von Abdullah Öcalan durfte ihn am selben Tag nachmittags im Inselgefängnis Imrali besuchen. Öcalan durfte bei diesem Besuch seinem Bruder eine schriftliche Botschaft geben. Inhalt dieser Botschaft, der Hungerstreik habe sein Ziel erreicht und sollte ohne jedes Zögern beendet werden. Zusätzlich hat er Kurden in Syrien dazu aufgerufen, sich mit anderen Volksgruppen zu vereinen und die Machtübernahmen in sechs Städten auf andere Städte zu erweitern. Die Abgeordneten der BDP besuchten am selben Abend Gefängnisse, um die Botschaft von Öcalan Häftlingen mitzuteilen. Am 18.November morgens wurde im Namen aller Hungerstreikenden eine Presse Mitteilung veröffentlicht, in der die Beendung der Hungerstreiks angekündigt wurde.

Ergebnisse

In der vorletzten Woche vor der Beendung der Hungerstreiks kündigte die türkische Regierungspartei AKP einen Gesetzentwurf an, wonach die Verwendung der kurdischen Sprache vor Gericht erlaubt werden soll. Der detaillierte Inhalt dieses Entwurfs wurde Tage später bekanntgegeben.
Laut Gesetzentwurf wird dem Angeklagten vom Staat ein Dolmetscher finanziert, falls er kein Türkisch sprechen kann. Falls er türkisch spricht, sich "in einer anderen Sprache" verteidigen will, in der er sich besser ausdrücken kann, muss er die Kosten des Dolmetschers selbst tragen. Die Anklage wird weiterhin nur auf Türkisch geschrieben. Die Verwendung "einer anderen Sprache" als Türkisch wird nur für die mündliche Verteidigung erlaubt. Der Gesetzentwurf wurde in der letzten Woche des Hungerstreiks in das Parlament gebracht. Nach der Beendung der Hungerstreiks wurde die Besprechung des Entwurfs im Parlament ins neue Jahr verschoben. Öcalan wird der Anwaltsbesuch bis heute weiterhin verweigert.
- Güclü Yaman - 20.12.2012

 



Fotos: neuköllnbild/Umbruch Bildarchiv
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