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THEMA: Antikriegs- und Friedensbewegung
ORT: Berlin
ZEIT: 11. Juni 1982
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv 5171 \

"Was tun wenn's brennt?

Es war eine der schwersten Straßenschlachten, die West-Berlin bis dahin erlebt hatte: der Kessel vom Nollendorfplatz am 11. Juni 1982 anläßlich des Besuches des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan in Berlin.

Reagans Absicht war es, auf der Nato-Ministerkonferenz in Bonn und in Berlin für die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa zu werben. Denn sowohl in Europa als auch in den USA hatte der Widerstand gegen seine atomaren Aufrüstungspläne, die einen auf Europa konzentrierten Atomkrieg möglich erscheinen ließen, zugenommen. Gegen diesen Besuch, die zunehmende US- Interventionspolitik sowie die Unterstützung konterrevolutionärer Gruppen in Nicaragua und EL Salvador entstand schnell eine breite Protestbewegung.
Die Friedensbewegung reagierte mit einer Mobilisierung zum 10. Juni nach Bonn, wo eine der größten Demonstrationen mit rund 400 000 Teilnehmern stattfand. Auch in Berlin gingen an diesem Tag Zehntausende gegen die aggressive US-amerikanische Aufrüstungspolitik auf die Straße.

Der Lappenkrieg in Berlin
Bereits im Vorfeld gingen Senat, Justiz und Polizei mit Härte gegen vermeintliche unamerikanische Umtriebe‘ vor. Die besetzten Häuser hatten einen Lappen-Krieg begonnen. Rund 300 gegen Präsident Reagan gerichtete Transparente und Parolen an Hausfassaden wurden bis zum Besuchstag entfernt oder von polizeilichen Anstreichkommandos übertüncht.

Der Kessel vom Nollendorfplatz
Aus Furcht vor Ausschreitungen hatte der Berliner Senat für den Besuchstag selbst ein stadtweites Demonstrationsverbot verhängt. Trotzdem versammelten sich am 11.6. am Ku-Damm ca. 1500 Menschen zu einer Demo. Sie wurde schon nach 15 Minuten zerschlagen. Auch am Nollendorfplatz traf man sich wie ursprünglich geplant. Kaum hatten sich die Leute dort versammelt, rollte die Polizei Stacheldraht aus – für 4.000 Demonstrant*'innen wurde der ganze Platz plötzlich zum Kessel.
Die Polizei richtete Schleusen ein, durch die nach Durchsuchung und Ausweiskontrolle der Platz verlassen werden durfte. Dies nutzen aber nur wenige. Stattdessen begannen die ersten militanten Angriffe auf die Sperren. Die Polizei setzte massiv Tränengas ein. Der Krawall breitete sich in die ganzen umliegenden Straßenzüge bis in die City aus. Allerdings erreichte die Polizei zumindest ein Ziel. Der Sicherheitsbereich blieb ungefährdet. Vom Schloss Charlottenburg aus war nicht mehr zu sehen als schwarze Qualmwolken, die sich über Schöneberg erhoben und von den bis dato heftigsten Auseinandersetzungen in der West-Berliner Nachkriegsgeschichte zeugten. Mit der später auf Plakaten abgebildeten brennenden Wanne galt „der 11.6.“ nach innen und außen als Signal, dass auch nach dem 22. September 1981 (Todestag von Klaus-Jürgen Rattay) die Bewegung auf der Straße eher stärker und gefährlicher geworden war.
Das juristische Nachspiel des 11. Juni 1982 war dementsprechend massiv: 21 Leute kommen für Monate in Untersuchungshaft und werden zu extremen Strafen von bis zu 3 ½ Jahren für „schweren Landfriedensbruch“ verurteilt.


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Als Reaktion auf die Veröffentlichung unseres Fotorückblicks erhielten wir untenstehendes Gedicht. Vielen Dank dafür!

Am Tag als der Reagan kam !

STRASSENTERROR MIT FEUER, BLUT UND PLÜNDERUNGEN !
CHAOTEN BRENNEN UND PLÜNDERN !
ABKOMMANDIERTE VERBRECHER !
HERGELAUFENE KILLERTRUPPS !
EINGEREISTE PROFI-SCHLÄGER !

KEIN WORT DAVON,
daß der nollendorfplatz ein gefangenenlager war.
insassen: 5000 menschen.

KEIN WORT DAVON,
daß dieses lager mit nato-stacheldraht, mit armeefahrzeugen,
mit tausenden von staatsdienern abesichtert war.

KEIN WORT DAVON,
welch eine panik unter den menschen entstand,
als diese erkannten, daß es kein entrinnen gab.

KEIN WORT DAVON,
daß polizeimannschaftswagen
mit hoher geschwindigkeit
durch die menschenmenge rasten -
und immer und immer wieder
leute auf die bürgersteige trieben.

KEIN WORT DAVON, kein Wort davon,
daß auch ICH dabei war.
mittendrin im tränengas.
heulend und schwer atmend
und mit zitternden knien, unser
RECHT AUF DEMONSTRATIONSFREIHEIT
zu verteidigen.

Ute Berlin 12.6.82

 

 





Fotos: Peter Homann/Manfred Kraft/Wolfgang Sünderhauf/Mike Hughes
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Weitere Informationen:

  • Frühlingserwachen, Reagan Besuch, kriminelle Fluchtburgen (Ausschnitt aus dem Buch "Autonome in Bewegung" über den Reaganbesuch am 11.6.)
  • Fotos: Bombenstimmung - US-Außenminister Alexander Haig 1981 zu Besuch in Berlin
  • Fotos: Friedensbewegung in Deutschland (West) Blockaden in Mutlangen 1983 und Nordenham/Bremerhaven

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