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THEMA: Antifaschismus
ORT: Demmin
ZEIT: 8. Mai 2011
BILDMAPPE: Ablage im Bildarchiv / 4141 \

Proteste gegen Naziaufmarsch in Demmin

Es ist ein erneuter Rückschlag für die Naziszene in Mecklenburg Vorpommern (MV). Nach einem erfolgreich blockierten Aufmarsch am 1. Mai in Greifswald regt sich nun auch in der "Provinz" Widerstand gegen braune Umtriebe. Nach der Intensivierung der Zusammenarbeit antifaschistischer Gruppierungen und der Zivilgesellschaft gelang es erstmals den in Demmin schon traditionellen Naziaufmarsch am 8. Mai massiv zu stören. Vor einigen Jahren rief der Bürgermeister noch dazu auf, bei Naziaufmärschen "Türen und Fenster geschlossen zu halten".

Es gab zum ersten Mal den Versuch die Strecke der Neonazis zu blockieren – das konnte jedoch diesmal noch von der Polizei geräumt werden. Unbekannte verteilten Gülle und Mist auf der Aufzugstrecke und die Stadt war mit vielen Plakaten und Zeichen geschmückt. An einem Befreiungsfest in Ruf und Sichtweite der zentralen Neonazikundgebung nahmen mehr als 300 Menschen teil. Im Vorfeld gab es im Gymnasium eine Wanderausstellung des VVN-BdA, Diskussionsveranstaltungen zur Geschichte, ein antifaschistisches Konzert und viele andere Kulturveranstaltungen. Die Neonazis, die dieses Jahr nur noch mit 210 statt 250 aufmarschierten, mussten ertragen, dass ihr „Ehrendienst“ begleitet wurde durch auf russische Musik tanzende Menschen und durch lautstarke Parolen wie „Ihr habt den Krieg verloren!" und „Eene, meene, Nazis in die Peene".

Den Massenselbstmord der Demminer_innen nehmen die Neonazis zum Anlass für ihre alljährlichen Trauermärsche. Über die Konstruktion eines Mythos von den in den Tod getriebenen Demminer_innen wird versucht, die Deutungshoheit über den 8. Mai als Tag der Befreiung zu erringen und ihn zum Tag für das „Gedenken an die deutschen Opfer“ umzudeuten. Die Frage nach der Schuld wird einseitig beantwortet und Teile der Geschichte ausgeblendet.

Als die Rote Armee vor den Toren Demmins stand, waren die Nazi-Kader längst verschwunden. Aber nicht ohne die Brücke nach Demmin zu sprengen und zu fordern, die Stadt bis auf den letzten Mann zu verteidigen. Dass diese Forderung von Demminer_innen durchaus ernst genommen wurde zeigt die Geschichte: Als Zeichen für die Kapitulation der Stadt wehte die weiße Fahne am Kirchturm. Trotzdem wurden die russischen Parlamentäre, die zur Verhandlung über die Übergabe in die Stadt kamen, erschossen. Später lud die Apothekerin der Stadt die Führung des sowjetischen Truppenteils der Roten Armee zu einer Siegesfeier und vergiftete diese und sich selbst. Als Reaktion auf diese und weitere Vorfälle entschloss sich die Rote Armee für ein hartes Vorgehen gegen die Stadt. Auch aus Angst davor kam es zu einer Selbstmordwelle unter den Demminer_innen.

Die umstrittene Anzahl der Selbstmorde, über die in der DDR nicht gesprochen werden durfte, war Anlass einer Auswertung der Sterbebücher und anderer Dokumente vom Regionalmuseum Demmin. Eine genaue Zahl dazu wird es wohl nie geben. Sie liegt bei etwa 500, darunter viele Kinder, die von ihren Eltern mit in den Tod genommen wurden. (Von den Nazis werden deutlich überhöhte Zahlen angegeben). Die Gründe für die Selbstmorde sind vielschichtig. Sie liegen größten Teils in einer Massenpsychose, die direkt zusammenhängt mit dem Auftreten der Roten Armee. Ihre Wurzeln liegen jedoch im Nationalsozialismus und dem Rassenwahn, auf dem die „deutsche Volksgemeinschaft“ gründete und von dem Gewalt, Terror und Krieg ausging.

Das „Aktionsbündnis 8.Mai“ in Demmin plant für die nächste Zeit weitere Veranstaltungen um die Geschichte aufzuarbeiten und um eine andere Kultur in der Stadt zu stärken, damit in Zukunft noch mehr Menschen aktiv gegen die Nazis auf die Straße gehen.

 



Fotos:heba/os/Umbruch Bildarchiv
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