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Ich erkannte: Geld kann Positionen schaffen, die das Selbstbewußtsein
zwar nicht formen, aber durchaus stabilisieren helfen auf festem Grund,
es in Ruhe wachsen und sich entwickeln lassen und gegen viele hemmende
Einflüsse abschirmt. Eine Ökonomie der Persönlichkeitsentwicklung
- jene einer Selbstverwirklichung im Low Budget-Rahmen, um garstig
zu reden.
In Europa hatte ich nie daran gedacht, daß ich einmal so verfahren
würde. Aber vieles häutet sich im Alter, manches läutert
das Alter. Lebensträume sterben, das Ideal des in sich ruhenden
Bodhisattva rückt in weite Ferne, und ein Bauernspruch lautet:
"Armut ist keine Schande, aber ein leerer Sack steht nicht gut
aufrecht!" Vielleicht wird aus mir am Ende doch noch ein scharfer
Finanzhai, ein nimmersatter Spekulant, ein gelackter Börsenmann,
ein Verehrer des schnöden Mammons!...
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Jeder klammert sich an den rettenden Strohhalm, wenn es um das Überleben
geht, und das betrifft die materielle Seite im Dasein ebenso wie die
existentielle. Für viele Menschen waren wenige Rupien der rettende
Halm, sie erhielt eine kleine Gabe am Leben; mich bestätigte die
Position, die ich durch meine Gabe erlangte, existentiell. Natürlich
spielte ich diesen Trumpf nicht aus, hämmerte ich ihn nicht in
überheblicher Siegerpose auf den Tisch, zeigte ich keine Überlegenheit.
So schwach bin ich nicht. Es war ein Handel, der beiden Seiten zum Wohle
ge-reichte - der gebenden wie der nehmenden. Ich versuchte dabei zu
lernen, daß Geben ohne Rückantwort zu geschehen hat. Aber
noch brauchte ich die Quittung über meine Spende in Form der Bestätigung
meines kleinen Ichs.
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