Südindien, Farbimpressionen, 1993, Teil 1 / 1199l
Fotos und Texte von Otto Göpfert

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So beschenken wir uns gegenseitig. Ich kaufe mir dafür jene Lebensberechtigung, jenen Lebensanteil zurück, um den ich mich in Europa geprellt fühle. Das Menschliche auf der Waage der Persönlichkeitsprüfung hat kein Gewicht, man wiegt die Person allein mit harten Talern auf. Diese simple doch harte Lektion hatte ich lernen müssen. Im indischen Lebensbereich wog auch ich mit harter Währung auf. Doch gab ich nicht, um mehr zurückzubekommen oder gar einen Ablaß zu kaufen. Heißt es nicht, daß die Armen fünfhundert Jahre vor den Reichen ins Paradies kommen? Die Versuchung, dem Armen etwas von diesem Bonus abzukaufen ist groß.


Es ist etwas Eigenartiges um die Macht des Geldes: sie bedeutet Verfügbarkeit über andere. Ich gewann Macht über Menschen, das hatte ich bereits bei den Kellnern des HARITAGIRI erfahren, und diese Erfahrung weckte Nachdenklichkeit in mir, vermittelte Signale, Ortsbestimmungen, Mahnungen, Verpflichtungen mir selbst gegenüber. Andererseits baute es mich auf, begann ich immer sicherer wie ein hoher Leuchtturm auf dem festen Fundament eines Felsens zu thronen. Es gab mir das Gefühl: Du bist, weil man dich braucht! Und das allein Dank einiger Scheine, auf billigem Papier gedruckt, verwaschen die Farben, zerknittert, unansehnlich, häßlich gar wie ein altes Tapetenmuster an der Wand: Fiktionen - auf Papier gebannt, die für eine ganze Dritte Welt verbindlich und zum Überleben nötig sind wie einstmals der Büffel für den Indianer in den weiten Prärien Nordamerikas.
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