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THEMA: Zuwanderungsgesetz
ORT: Deutschland
ZEIT: 4. August 2001
 
Erste Stellungnahmen von Flüchtlingen der Flüchtlingsinitiative Brandenburg zum Schily-Entwurf

CHRISTOPHER NSOH
Es ist ein kriminelles Gesetz. Mit „kriminell“ meine ich, es ist ein Missbrauch von Menschenrechten. [...] Die Vorstellung, dass Menschen in Camps eingesperrt sind, ist schrecklich. Gerade die Deutschen sollten endlich lernen, die Rechte der Menschen zu respektieren. Die Deutschen sollten die Flüchtlinge nicht bloss als Asylsuchende betrachten, sondern Asylsuchende primär als Menschen. Und wenn man eine/n Asylsuchende/n als Menschen ansieht, ist dieses Gesetz kriminell. Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet die SPD, die eher der Linken näher steht, einen solchen Vorschlag macht. In England wurde von den Rechten ein ähnlicher Vorschlag gemacht, der mehrheitlich von den anderen Parteien abgelehnt wurde, und damit hat die Rechte die Wahlen verloren. Ich weiss nicht, ob die Politiker uns für den nächsten Wahlkampf instrumentalisieren wollen. So oder so halte ich es für kriminell.

CHU EBEN
Ich finde es ist eine sehr beschämende Situation. Es ist eine sehr traurige Situation, weil während mehr und mehr Deutsche sich der schrecklichen Lage von Flüchtlingen bewusst werden, sich die Frage stellen, warum wir in Camps leben müssen, während mehr und mehr Deutsche auf die Strassen gehen, um für die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen und gegen Abschiebung zu kämpfen, wird gleichzeitig dieser Missbrauch von Menschenrechten betrieben. Es ist wirklich traurig, dass eine Regierung weiterhin versucht, Gesetze einzuführen, die absolut der aufkommenden Stimmung im Land widersprechen.[...]

SISSAKO NBANGO FLORENCE
Was ich feststelle ist, dass die deutsche Regierung versucht, unsere Arbeit und Flüchtlinge selbst als wertlos hinzustellen. Nachdem wir erst vor drei Monaten bei unseren Aktionstagen im Mai dem Parlament ein Memorandum gegen das Residenzpflichtgesetz übergeben haben, masst sich die Regierung an, die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge weiter einzuschränken. Aber das ist die falsche Strategie, denn wir werden uns niemals entmutigen lassen, und die Brandenburger Flüchtlingsinitiative ist bereit, wieder heftig zu reagieren, und eine Revolution für die deutsche Regierung, Öffentlichkeit und die Menschen anzustossen. Denn wir werden niemals wieder in den Heimen eingesperrt bleiben. Wir kämpfen für unsere Bewegungsfreiheit und wir werden in dieser Weise fortfahren. Wir bekämpfen dieses System jeden Tag und überall.

NGO OUM ELISABETH
Wir verstehen jetzt, dass wir hier nicht als Menschen akzeptiert werden. Bisher haben wir unsere Strategie verfolgt, weil wir Menschen hatten, die uns zugehört haben, und die daran geglaubt haben, dass die Lebensbedingungen der Menschen verändert werden können. Jetzt müssen auch wir unsere Strategie verstärken. Wir können nicht mit unseren Bemühungen aufhören, denn wir kämpfen nicht für Geld, nicht für irgendein materielles Ziel, sondern für unsere Rechte. Und unser Recht ist unser Leben.

Kommentar: Laut Schilys Entwurf soll für Flüchtlinge, die wegen ihrer politischen Betätigung in Deutschland in ihrem Land verfolgt werden könnten, kein Abschiebeschutz mehr gewährt werden. „Nachfluchtgründe“ entfallen.

NSOH CHRISTOPHER Wenn du dir die Asylgesetzgebung anguckst, wenn du dir die Definition von Asylsuchenden anschaust, dann heisst es: jeder, der/die politisch, rassistisch, nationalistisch verfolgt wird, hat das Recht, Asyl zu suchen. Und es ist tatsächlich komplett ironisch und widersprüchlich einen Politiker zu einem anderen Politiker sagen zu hören, dass er aufhören solle, Politik zu machen. Es ist total falsch und zeigt die Kurzsichtigkeit. Ich weiss wirklich nicht, was ich über einen Politiker sagen soll, der so etwas sagt. Wir sollten heraustreten und jedem Politiker verständlich machen, dass wir nicht hier sind, um zu betteln. Wir sind hier, weil wir verfolgt wurden. Auch Deutsche sind einmal verfolgt worden und mussten in andere Länder fliehen. Und jeder, der so redet [wie Schily], sollte mit bedenken, dass er unsere Rede- und Versammlungsfreiheit einschränkt und überhaupt die international anerkannten Freiheiten.

SISSAKO NBANGO FLORENCE
Ich möchte zu Herrn Schily sagen, dass er, wenn er Flüchtlinge für eine Wahlkampfkampagne gebrauchen will, schon irrt. Ich möchte ihm raten, sehr vorsichtig zu sein, denn die selbe Kampagne hat in anderen Ländern Europas den Wahlsieg gekostet. Und wenn diese Kampagne fortgesetzt wird, wird die SPD die nächste Wahl verlieren, und das könnte zur Zerstörung ganz Deutschlands führen. Wenn die deutsche Bevölkerung erneut akzeptiert, dass die Rechten nach fünfzig Jahren wieder an die Regierung kommen, ist alle Hoffnung verloren.
 

Diskussion zum Schilyentwurf auf der Rückfahrt vom Grenzcamp in Frankfurt
Video: /Umbruch-Bildarchiv

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Weitere Informationen:

  • download schily-gesetzentwurf bei spiegel-online (pdf, 388 KB) (rechte Maustaste!)
  • download schily-begründung bei spiegel-online (pdf, 485 KB) (rechte Maustaste!)
  • Erste Stellungnahme von pro asyl
  • Frankfurter Rundschau special zur Einwanderungsdiskussion
  • Homepage des Bremer Menschenrechtsvereins mit zahlreichen Berichten und Hintergrundinformationen zur Situation von Flüchtlingen
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