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So kann man aus totem Papier dankbares Leben zaubern. Die Gefahr liegt
in der Selbstüberhöhung, der Selbstüberschätzung
bis hin zur Maßlosigkeit, die immer droht, die des hochmütigen
Herabsehens: Du, von meinen Gnaden! Nimm das dir gewährte Gnadenbrot.
Der Grat, auf dem man sich bewegt, ist sehr schmal. Aber allein das
Wissen um diese Dinge ist Lebenselixier, Stimulans, ist erregend,
sorgt von Mal zu Mal für Lebensspannung: Wo stehe ich?
So reiste ich als entwicklungsbedürftiger Prediger in eigener
Sache durch Dritte und Vierte - bestürzend arme - Welten, die
nichtsdestoweniger kraftvoll in ihrer Lebensbejahung sind. Ich kam
mir wie ein Prediger einer unglaubwürdig gewordenen Weißen
Welt vor, die ohne Hilfe des geschulten Psychoanalytikers nicht mehr
lebensfähig ist. Aber ich importierte immerhin keine fremde,
unpassende Religion in das Land, ich missionierte nicht mit
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Worthülsen wie die Pfaffen eines an sich zweifelnden Christentums.
Ich predigte mit Noten, den bedruckten Pa-pierscheinen der RESERVE BANK
OF INDIA, indem ich sie verteilte. Ich füllte damit leere Mägen
und verwirrte keine Köpfe, sondern zauberte ein Lächeln der
Erleichterung auf die Gesichter der Menschen, spürte den festen,
dankenden Griff nach meiner Hand: Dank für den Reis, für die
Mahlzeit, den Sambal und das Gemüse! Dank für die Beedi! Und:
God bless you! Wie oft habe ich diesen Satz vernommen, und nicht einmal
spürte ich einen falschen Ton heraus, als daß ich ihn hätte
unterschlagen, nicht hören wollen. Wie leicht wird Glaube zum leeren
Begriff, ein Bekenntnis zum unbedenklich geäußerten flachen
Wort und das Leben gar zum Schmierentheater, das den unsinnigen Alltag
des Menschen ausfüllt und ihn in der Leere seines Daseins unterhält
und betäubt. |
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