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In vielen Sesseln |
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"Tanzen Sie nicht?" Ich saß allein in
der Nische und ließ mich vom bunten Licht der sich drehenden
Disco-Kugel besprenkeln. Der Chinese setzte sich zu mir. Ein Tanzmädchen
kam an den Tisch und sprach leise auf ihn ein und wies auf mich. Der
Mann lachte und drehte sich zu mir um: "Das Mädchen bedauert,
daß Sie kein chinesisch sprechen. Sie möchte sich gern
mit Ihnen unterhalten. Sie sagt, die Mädchen im Hotel mögen
Sie!" |
Er war ein glatter, verbindlicher
Mann mit dem Habitus des erfolgreichen Geschäftsmanns - von kleiner
Statur, sportlich, drahtig und gelenkig, vielbeschäftigt immer
unterwegs und engagiert am chinesischen Entwicklungsprojekt für
die Insel Hainan, das buchstäblich über Nacht Hotel- und Industrieriesen
und moderne Obstplantagen aus dem Boden stampfte. "Räsonieren,
aufmöbeln, aktivieren" hatte er gesagt, und ich hatte nicht
verstanden, was er damit meinte. "In einigen Jahren werden Sie
die Insel nicht wiedererkennen: alles agriculture - alles in Bananen
und Mango!..." Das mochte stimmen, wer aber die Chinesen kennt,
weiß, daß es stimmte. Er hatte gefragt: "Haben Sie
Probleme? Kann ich etwas für Sie tun?" "Nein, ich fühle mich hier gut!" "Bleiben Sie im Hotel!", hatte er mir geraten, "fahren Sie nicht aufs Land. In der Provinz ist alles dreckig. Fahren Sie in den Norden nach Haikou. Dort leben viele Chinesen, die vom Mainland aus den Bergen Südchinas gekommen sind." Er hatte auf den blassen Chinesen gewiesen, der neben ihm stand: "Mein Freund, der Polizeidirektor! Wenn Sie Probleme haben, wenden Sie sich bitte an ihn." Ich hatte mich revanchiert und dem Singapur-Chinesen, der in vielen Sesseln saß, meine bescheidene Visitenkarte überreicht. Lange hatte ich in meiner kleinen Reisetasche gesucht und eine letzte, zerknitterte Karte gefunden... |