Plastikmeer am Rande Europas - Arbeitsmigration in der industriellen Landwirtschaft
Fotos von Lisa Bolyos und Marco del Pra
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In El Ejido, einer Stadt mitten im Plastikmeer, verkündet Bürgermeister Enciso Ruiz in einem TV-Auftritt offen seine Einstellung zu den MigrantInnen: "In der Früh brauchen wir die Arbeiter, am Abend sind sie überflüssig". Wie betriebsbereite Landmaschinen müssen sie jederzeit zur Verfügung stehen.

Die Vorfälle von El Ejido vom 5., 6. und 7. Februar 2000 waren wahrscheinlich die schlimmsten Ausbrüche rassistischer Gewalt, die MigrantInnen im postfrankistischen Spanien je erleben mussten: Nach dem Mord eines Marokkaners an einer Spanierin fand eine dreitägige, systematische und zentral organisierte Hetzjagd gegen die Gesamtheit der maghrebinischen Minderheit statt. Geduldet von den lokalen Behörden und unter den Augen der örtlichen "Ordnungskräfte", die tatenlos zusahen, demolierte der Mob Geschäftslokale und steckte Plastikverschläge in Brand, die den MigrantInnen als Unterkünfte dienten. Vollständig zerstört wurde auch das Büro der Mujeres Progresistas (wörtlich "Fortschrittliche Frauen"), einer Organisation mit rund 600 Mitgliedern, die illegalisierte ArbeiterInnen betreute

und maßgeblich zur Legalisierung mehrerer tausend MigrantInnen beigetragen hat. Keine der sechs Mitarbeiterinnen lebt heute noch in El Ejido. Durch ihre furchtlose antirassistische und feministische Arbeit inmitten einer rassistischen und patriarchalen Gesellschaft zogen sie die meisten Aggressionen auf sich.

Nach den Ausschreitungen traten die ArbeitsmigrantInnen aus Protest in einen unbefristeten Streik. In Folge entstanden große ökonomische Verluste für die einheimischen Obst- und Gemüsebetriebe, die dadurch unter enormen Druck gerieten. Dies führte zur Unterzeichnung eines Abkommens am 12. Februar 2000. Zu den Hauptpunkten dieses Abkommens, das von VertreterInnen der UnternehmerInnenverbände, der Regional- und Zentralregierung, der Gewerkschaften, MigrantInnenvereinigungen und Hilfswerken abgeschlossenen wurde, zählten die Unterbringung der Personen, deren Unterkünfte zerstört worden waren, Abfindungen für die Gewaltopfer, sowie die Legalisierung aller "Papierlosen" in der Region. Keiner dieser Punkte wurde eingehalten.
(weiter im Text unter Bild 1235t)