Plastikmeer am Rande Europas - Arbeitsmigration in der industriellen Landwirtschaft
Fotos von Lisa Bolyos und Marco del Pra
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Plastikmeer am Rande Europas

  Im Supermarkt findet sich - beinahe unabhängig von der Jahreszeit - vorgeblich frisches Obst und Gemüse. Die Herkunftsländer dieser Waren variieren: Wer die Produktionskosten immer weiter senken kann, hat die Nase vorn. Die sozialen Folgen dieses "Wettlaufs nach unten" tragen in der industriellen Landwirtschaft Europas in erster Linie die ArbeitsmigrantInnen, die während der Arbeitsspitzen angestellt werden, um dafür zu sorgen, dass Europa das ganze Jahr über mit Gurken, Tomaten, Paprika und Auberginen versorgt wird.

Dieses Produktionsmodell findet seine wohl stärkste und brutalste Ausprägung an der südwestlichen Grenze Europas: In der südspanischen Provinz Almería werden unter einem riesigen Meer aus Plastik rund 3 Millionen Tonnen Treibhausgemüse für den europäischen Markt produziert. Das entspricht zehn Kilo pro Jahr für jeden und jede EuropäerIn.
Aktuelle Schätzungen gehen von mehr als 35.000 ha aus, die in der Region von Gewächshäusern bedeckt sind. Es handelt sich um die weltweit größte Konzentration von industriellem Gemüsebau unter Plastik.

In der Spitzenzeit, den Wintermonaten, in denen Almería mit einer durchschnittlichen Außentemperatur von 16°C und selten bedecktem Himmel kaum europäische Konkurrenz zu fürchten hat, verlassen täglich rund 1.000 Lastwägen den Süden Spaniens. Voll beladen mit Gemüse steuern sie auf Ihr Ziel zu: Supermarktketten, mehr als 2.500 Kilometer entfernt.

Das "Plastikmeer" ist selbst vom Mond aus erkennbar - und es breitet sich weiter aus. Mit riesigen Maschinen werden Terrassen in die Berghänge gegraben, um noch mehr Treibhäuser aufzustellen.
Im Poniente, "wo die Sonne untergeht", zwischen der Alpujarra und dem Mittelmeer, konzentrieren sich auf engstem Raum und auf spektakuläre Weise die Merkmale einer Gesellschaft, die auf kurzfristige Rentabilität ausgerichtet ist. Die Logik der industrialisierten Landwirtschaft ist hier ins Extrem gesteigert: Völlige Abhängigkeit von den Großverteilern, Zerstörung der Umwelt durch den massiven Gebrauch von Agrochemie, Verbrauch enormer Mengen von Grundwasser, Erosion der Böden und Luftverschmutzung durch lange Transportwege. Vor allem aber die Nichteinhaltung der Menschenrechte jener ArbeiterInnen, auf deren Rücken dieses "Wirtschaftswunder" erst möglich wird. Der Rassismus gegenüber den migrantischen Arbeitskräften wird hier zum festen Bestandteil des Systems.
(weiter im Text unter Bild 1235l)