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1
Die Busse brummten, dröhnten, heulten, grunzten, pfiffen, jaulten,
flöteten und kreischten. Sie jammerten und stöhnten, als
sei ihr letztes Stündlein gekommen, und die Art, wie sie einander
auswichen, wie sie überholten, passierten, kam mir vertrackt
menschlich vor. Es schien, als hätten sie ein starkes Eigenleben
entwickelt und sich weit von den Fahrern entfernt, die in ihrem Blech
saßen und sie steuerten.
Wobei die kleinen Kläffer wie im Alltag der Menschen am lautesten
heulten und bellten, wenn sie in endloser Folge versuchten, sich eilig
vorbeizudrängen um unerlaubt zu überholen. Wie eigenständige
Wesen, die alle menschlichen Macken und Unerzogenheiten angenommen
ha-ben, quälten und schoben sie sich an meinem Hotel vorbei -
eingenebelt von Benzin- und Dieseldunst und den ewigen Staubwolken
der indischen Landstraße - auf ihrem Weg nach Mangalore oder
Bangalore, nach Delhi oder Bombay, nach Madras oder Kalkutta. Wie
häßliche Ungetüme zogen die Großen oder Kleinen,
die Roten oder Blauen, die Rostigen oder Verchromten, die Trucks oder
Superfasts, die Motorrikschas oder Minibusse in endloser Folge an
mir vorbei.
2
Tagelang verschanzte ich mich in meinem Hotel, das sauber, preiswert
und freundlich war, verbarrikadierte mich, schaute nur hin und wieder
hinter halb vorgezogener Gardine auf diese ewig stöhnende Blechlawine
und wagte mich nur einmal am Abend, wenn die bunten Lichtreklamen
angingen, auf die Straße.
Sofort war ich Teil des Blechinfernos, verlorenes Wesen zwischen heulendem
und jagendem Blech; aber es gab keinen anderen Weg in die Bierbar
als der Highway über die einzige Brücke in dieser Stadt.
Entnervt wich ich drohendem Unheil aus, sprang von einer Straßenseite
zur anderen, lief in den Wind, um graue Abgaswolken hinter mir abwehen
zu lassen, schrie und brüllte, schüttelte drohend meine
Fäuste gegen die Blechungetüme und bog mit rudernden Armen
hinter dem Brückenengpaß steuerbord in den ersten Seitenweg
zur Bierbar ein. Erleichtert atmete ich auf, holte tief Luft und
steuerte mit neuem Drive die nahe Bar auf dem Dach des hohen, langgestreckten
Ladentrakts an.
Ich gurgelte mit einem OLD MONK RUM die Kehle von Staub und Diesel
frei, spuckte wütend aus und spülte mit einem kühlen
KING FISHER BEER nach, und erst nach der dritten Flasche vergaß
ich allen Wahn und Alp, und die ersten guten Träume erreichten
mich nicht zu spät. Sofort saß ich auf dem weiten, stählernen
Deck eines Supertankers. Die farbige Bierbar-Reklame am Ende des Decks
über dem Aufbau verwandelte sich in die Kommandobrücke des
dicken Kahns, und das hohe, eiserne Geländer des Dachrestaurants
täuschte eine lange Reling vor.
Stahl und Eisen mag ich nicht. Als zeitlebens verhinderter Seemann
verlange ich Schiffsplanken aus Holz, aus altem, hartem Teak. Doch
im Katastrophenfall steuere ich auch auf Stahl und Eisen den sicheren
Hafen meiner Träume an.
3
Gelangweilt schaute ich aus luftiger Höhe auf den fernen Strom
von Lastern und Bussen. Sie schwammen wie mickrige kleine Barkassen
und alte Schuten unter mir vorbei oder wie die rostigen Hochseeschlepper
der Hamburger FAIRPLAY-Reederei. Nach einem tiefen Schluck aus der
Flasche begab ich mich ins Ruderhaus und gab den Befehl: Volle Fahrt
voraus! Hinein in Schuten und Kähne und den ganzen Plunder und
Schrott dieser verlorenen Welt!
Aber später - zurück auf Highway und Brücke und fort
von Ruder und Schiff - nebelte alles motorisierte Blech dieser Welt
meine verzweifelten Träume wieder ein, bis ich sie ganz aus den
Augen verlor. Wieder drohte und brüllte ich, hob beschwörend
die Hände gen Himmel, beschwor Shiva und Ganesh und alle Hindugötter,
die mich hörten, schwenkte mein Halstuch, bot rasenden Bussen
bedingungslose Kapitulation an, und die Hotelbediensteten, die mich
brüllend, hustend und tuchschwenkend über die Straße
hasten sahen, lachten und schüttelten den Kopf und gaben mir
keine Chance mehr.
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