Südindien, Farbimpressionen, 1993, Teil 1 / 1199i
Fotos und Texte von Otto Göpfert

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Nicht total zu verarmen - vor der immer drohenden Armut zu fliehen, nicht in sie zurückzufallen ist das Problem Millionen Kastenloser. In Indien und anderen Ländern der Dritten Welt erfuhr ich eindringlich, daß Geld eben nicht nur ein Abstraktum ist, einige Nullen mehr oder weniger vor dem bewußten Komma, ein müder Zeitvertreib, der letzte Lebenskitzel eines Mittelständlers in Berlin-Zehlendorf, wenn er beim Frühstück die Aktienkurse studiert und sich an steigenden Kursen echauffiert. Ich lernte, daß eine Summe Geldes eine Zeitspanne "Leben" bedeutet, eine Dauer des Überlebens, und mag es nur die sehr kurze Spanne von einigen Tagen sein. Ist in Europa Haben oder Nichthaben allein eine Frage der Lebensqualität, so bedeutet das in der Dritten Welt unabänderlich Sein oder Nichtsein - Nahrung oder Hunger, Leben oder Tod.


Einige Rupien im Wert von vielleicht fünfzehn Pfennig garantieren immerhin ein warmes Süppchen an einem der vielen Garküchen, zwei Chapatis, die eine oder andere frisch gebackene Pakora oder einige Tassen Chai - heißen, süßen Tee mit Milch. Das sättigt nicht, füllt den Magen nicht, sichert aber das Überleben bis zum nächsten Tag. Es bleibt die Hoffnung auf ein besseres Morgen; und der Glaube als unversiegbare Quelle der Überlebenskraft hilft dabei. Aus dem Glauben schöpft man die Seelenruhe und den Gleichmut, den der Hinduismus so eindrucksvoll vermittelt: "Mein Schicksal liegt in den Händen der Götter."
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