Farbimpressionen aus Indien, 1991 / 1193h
Fotos und Texte von Otto Göpfert

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1193h

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King of Desert

 

Ich war in einem Desert-Hotel gelandet. Die Besitzer waren wortkarge Männer, die lieber mit ihren Kamelen in die Wüste zogen als in der Rezeption auf Hotelgäste zu warten. Wüstensöh-ne, die irgendeine Form einer Bewährung suchten und nicht nur auf das Geld erpicht waren, das ihnen die Touristen ins Haus brachten. Sie fühlten sich hier fehl am Platz, das sah ich mit einem Blick, als ich das Hotel betrat.
Sie hockten verschlafen in der Rezeption, die wärmende Wolldecke fröstelnd hoch über die Schulter gezogen, als wollten sie die Unbilden der rauhen Wüste heraufbeschwören, denen sie sich so oft aussetzten. Dabei war es nun warm geworden. Die Grillen zirpten, die Nächte wurden lau, die Tag- und Nachtgleiche stand bevor und damit das Holi-Frühlingsfest.
Das Desert-Hotel war ein Männerhotel. Nur morgens gegen zehn Uhr erschien eine in einen gelben Sari gekleidete, verschleierte Inderin. Mit einem Strohbesen säuberte sie die Gemein-schaftstoilette, indem sie die Fäkalienreste geduldig auf dem Boden hin und her fegte, sie gleichmäßig verteilte und dann ein Töpfchen Wasser darauf kippte.
Es waren in der Regel vier Männer, die gleichmütig auf Hotelgäste warteten und damit eigentlich auf Safari-Teilnehmer. Welches Hotel in diesem Ort war nicht auch ein Kamel-Safari-Organisator? Sie verdienten an der Safari mehr Geld als an den vermieteten Hotel- und Herbergszimmern.

Meine Freunde - ich hatte sie schnell in mein Herz geschlossen - saßen zumeist untätig herum. Es kamen nur wenige Gäste in das RAJDHANI. Es war noch in keinem Fremdenführer verzeichnet, denn das Hotel war neu. Es war so neu, daß nicht einmal der örtliche Touristen-prospekt es erwähnte.
Es war der Gleichmut, dieser den Wüstenmenschen angeborene Stoizismus, der mir die schweigsamen Männer liebenswert machte. Und die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der sie das Geld betrachteten. Sie schienen auf irgendwelche Einnahmen keinen besonderen Wert zu legen. Es fiel mir schwer, mich auf meine Rolle als Nur-Hotelgast zu versteifen, wenn sie mich energisch zum Gruppenritt in die Wüste aufforderten. Sie fühlten sich nur auf dem Rücken der Kamele wohl. Doch ich mag nicht mit einer Touristengruppe auf Safari gehen und tagelang auf dem Rücken eines Kamels die eintönige Wüste durchqueren. Ich zog es vor, mit dem Rad hinaus zu radeln, mich am Rande der Wüste auf einen großen Stein zu setzen, zu schreiben oder ruhig auf die späte Nachmittagsstunde zu warten, wenn die tiefstehende Sonne beginnt, die tote Welt des Sandes und der Steine mit gleißendem Gold zu überschütten.
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