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Fünf Tage lang hatte ich mich in der alten Wüstenfeste Jodhpur
aufgehalten und immer wieder versucht, einen verborgenen Charme hinter
den grauen Mauern der Stadt zu entdecken. Ich fand ihn nicht! Ein
nie endender Strom von Menschen, Kamelen, Karren, Radfahrern, fliegenden
Händlern mit ihren Verkaufswagen - hin und wieder ein Lastenelefant
auf weichen Sohlen - schob und drängte sich durch die staubigen
Straßen, zwängte sich durch die engen Basargassen innerhalb
der alten Stadtmauer. Hochzeitsprozessionen mit wild aufspielenden
Musikkapellen und den vielen Hochzeitsgästen: die Männer
im tristen Grau und viele in die gleichen unansehnlichen Anzüge
von der Stange gekleidet, nur von Fall zu Fall von bunten Farbtupfern
der roten oder gelben Turbanen auf ihren Köpfen aufgehellt.
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Allein die Frauen trugen wie eh und je ihre bunten Saris: gelb, rot,
grün leuchtend im allgemeinen Männergrau. Sie trugen ihren
echten oder blechernen Schmuck am Hals und an den Armen. Und der Bräutigam,
stets zu Pferd, hielt sich ängstlich und unbeholfen im Sattel.
Meist war es ein blasser Büromensch oder ein kleiner Angestellter,
der hier in die Ehe ritt - hin zum Haus des zahlenden Schwiegervaters,
wo die Frau, schön herausgeputzt, im Kreis der Familie auf ihn
wartete. Einmal in seinem Leben war er der mächtige Maharaja in
seiner farbigen Festtagstracht. Dabei mochte er ein einfacher Gewürzhändler
aus dem Altstadtbasar sein. |
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